Heute war ich auf einer Beerdigung. Leider ist das kein Anfang einer Geschichte, sondern ich war tatsächlich auf einer Beerdigung, der von Carola Wolff, einer lieben Kollegin und Freundin. Carola habe ich beim Phantastik-Autor*innen-Netzwerk kennengelernt, damals bei einem Netzwerktreffen in Berlin und später dann haben wir beide Geschichten für den phantastischen Montag geschrieben, fast vier Jahre lang, die letzten Monate dann ohne sie, weil sie alle Kraft brauchte, um gegen den Krebs zu kämpfen.
Heute, auf der Beerdigung, war immer wieder Carolas Lachen gegenwärtig. So wild und mitreißend und fröhlich. Und ihre Geschichten, in die eine sich so gern hineinfallen lässt, weil sie so voller Wärme sind, selbst dann wenn sie vom Tod erzählen.
Carola ist am 13.04.2024 gestorben, mit viel zu jungen 61 Jahren. Im Nachruf auf sie für den phantastischen Montag habe ich geschrieben:
Wir haben sie beim phantastischen Montag als kluge, warmherzige, humorvolle Frau kennengelernt – und genauso schrieb sie ihre Geschichten. Am liebsten Fantasy und Urban Fantasy. Meist tauchte darin irgendwo eine redselige Katze auf (manchmal auch ein Drache oder andere phantastische Wesen), zu den Lieblingsorten in den Geschichten gehörten Buchhandlungen, Bibliotheken, Cafés. Und Tee gehörte dazu ebenso wie kluge Frauen, verwirrte Magier, altkluge Raben.
Ihre erste Geschichte für den phantastischen Montag im Januar 2020 heißt „Das Kätzchen der Apokalypse“ und beginnt so:
„Ich bin die Macht, die eure sogenannte Zivilisation auslöschen wird“, sagte das Kätzchen. „In zehn Minuten, um genau zu sein. Willst du noch was erledigen, irgendwelche letzten Telefonate oder so? Dann ist jetzt die beste Gelegenheit.“
Es war nur eine handvoll Katze, die im Dämmerlicht des späten Nachmittags vor meiner Parkbank saß, mager, pechschwarz, mit großen grünen Augen.
… und sie endet mit einem Schnurren (und doch nochmal mit einem Aufschub für die Apokalypse). Denn Carolas Geschichten enthielten auch immer Hoffnung.
Ihre letzte Geschichte für unser gemeinsames Projekt erschien im Juli 2023 „Grüner Daumen“:
Ich zog meinen weichen roten Schal fester um mich, als ich in der abendlichen Herbstdämmerung zur Bibliothek eilte. Kalter Wind trieb leise raschelnd Blätter vor mir her und zauste meinen Haarschopf. Es roch feucht nach Laub und Erde. Ich wünschte mir, bei meinem Buch und einem Becher Tee daheim geblieben zu sein, doch das würde mein Problem nicht lösen.
Die Bibliothek lag am alten Kanal, ein großer, ungeschlachter Bau, der ein wenig aussah wie ein gestrandetes Schiff.
… eine unerwartete, magische Gabe, eben ein grüner Daumen, mit dem alles, was er berührt, von wild wachsendem Grün überzogen wird – vom Stift bis zur unbedacht gestreichelten Nachbarskatze – ist hier das Problem und vielleicht auch eine Lösung für Innenstädte aus Stahl, Beton und Glas.
Mit ihren Geschichten hat sie uns immer wieder berührt, verzaubert und zum Lächeln gebracht. Wir haben an jedem ihrer Montage voller Vorfreude auf den neuen Post geklickt und sind in ihre phantastischen Welten eingetaucht. Sie hätte noch so viel zu erzählen gehabt.
Ihre Geschichten und vor allem Carola selbst werden uns fehlen.
Heute möchte ich eine kleine Korrektur anfügen: Ihre geschriebenen Geschichten werden uns bleiben, ihre noch ungeschriebenen werden uns jetzt fehlen. Genau wie Carola selbst.
P.S.: Hier ist der Nachruf beim Phantastik-Autor*innen-Netzwerk